Herr Stadler, war die Leitung Ihrer eigenen Firma Stadler Form Ihr Traumberuf?
Ja, ich kann mittlerweile sagen, dass ich meine geschäftliche Erfüllung gefunden habe. Wichtig war mir immer, nicht nur Geld zu verdienen - klar, das ist auch wichtig, aber eben nicht nur. Ich wollte etwas tun, was mir wirklich Spaß macht.
Was ist Ihr persönlicher Antrieb?
Die Verbesserung der Dinge. Beispielsweise etwas viel schöner machen, viel leiser oder mit viel weniger Stromverbrauch. Das viel schöner versuchen wir natürlich immer, das ist essentiell. Auch technische Neuerungen müssen überzeugen, der Markt ist anspruchsvoller in viele Richtungen geworden. Die Konsumenten wollen mittlerweile mehr als nur Design, das ist auch ok so.
Ausgezeichnet mit dem iF Design award 2016 - Stadler Form Standventilator Charly
Was sind Ihre Stärken im Beruf?
Ich kann mich gut mit allen Menschentypen unterhalten, zum Beispiel mit Designern und Ingenieuren. Die sprechen ja oft, ich übertreibe jetzt, eine ganz andere Sprache. Da kommen die Kreativen mit ihren Ideen und Ingenieur sagt, das ist technisch nicht möglich. Ich als Chef kann da vermitteln und im Zweifelsfall auch die Entscheidung treffen.
Was ist denn Ihre genaue Aufgabe als Chef? Sind Sie in erster Linie fürs Organisatorische verantwortlich?
Oh nein! Die Entwicklung von neuen Produkten mache ich sehr gern, und das kann ich auch gut. Ich habe im Laufe der Zeit viel technisches Wissen dazugelernt.
Das Organisatorische liegt mir gar nicht so sehr, dafür habe ich jetzt jemanden eingestellt. Man soll das machen, was man am besten kann und mag, nicht alles gleichermaßen.
Woher kennen Sie so genau den Geschmack Ihrer Kunden?
Ich bin gut 70 Tage im Jahr unterwegs, bei Kunden, auf Messen, auf Geschäftsreisen. Ich rede ausführlich mit Importeuren, Großkunden, den Distributoren anderer Länder. So erhalte ich Info von Kundenwünschen, Input über Neuentwicklungen, Ideen und Inspiration. Mit der Zeit bekomme ich ein gutes Gespür für den Geschmack der Menschen. Schwarze Geräte sind z.B. in Deutschland und der Schweiz sehr beliebt, in Japan gar nicht, sondern weiße. Oder noch lieber eine kräftige Farbe!
Ist Ihnen der direkte Austausch wichtig?
Ein echter menschlicher Bezug wirkt sich immer sehr positiv aus, z.B., wenn ich die Produktionsstätten besuche, ist die Qualität gleich deutlich besser. Dann kennt man ein Gesicht zu der Email, die eine Woche mal freundlich und in der nächsten weniger freundlich ankommt (lacht).
Welche Ideen haben Sie für die Zukunft von Stadler Form? Darf man da schon etwas verraten?
Die Neuentwicklung ist enorm wichtig für das Unternehmen. Der Schwerpunkt bleibt auch in Zukunft die Luftbehandlung. Wichtige Projekte sind Luftbeduftung und Luftreinigung. Zurzeit arbeiten wir an acht konkreten Ideen als Beschäftigung für die nächsten paar Jahre. Jetzt ist es noch zu früh, um mehr zu verraten.
Wie lange feilen Sie an einem neuen Produkt?
Die Entwicklungsdauer für ein technisch einfaches Produkt liegt ca. bei 10 Monaten und 2-3 Jahre mit technischen Feinheiten. Durchschnittlich sind es bei uns 10-12 Monate.
Der Ventilator Q hatte eine überdurchschnittlich lange Entwicklungsphase von mehreren Jahren. Wie kam es dazu?
Oh ja, der Q! Da war nicht wie sonst die technische Lösung eine Herausforderung, sondern das Design. Die Naht der Edelstahlform muss von Robotern geschweißt werden, damit man keine Erhebungen an der Stelle sieht. Das ist für die Optik sehr wichtig. Aber der Verkaufspreis sollte natürlich nicht zu teuer werden. Zur Herstellung des runden Körpers haben wir vier Fabriken geprüft. Bis wir die geeigneten Lieferanten gefunden hatten, vergingen Jahre.
Beschreiben Sie doch bitte den Firmensitz in Zug. Ist es ein Fabrikgebäude?
Das würde ich gut finden, eine Fabrik direkt vor Ort. So ist es ja in Deutschland oft noch üblich, aber in der Schweiz eher selten zu finden. Wir sitzen etwas außerhalb der Stadt Zug in einem sehr modernen Bürogebäude. Es wurde erst vor sieben Jahren erbaut. Hier belegen wir ein halbes Stockwerk - wir sind ja eine eher kleine Firma mit 13 Mitarbeitenden in der Schweiz. Alle anderen Teams arbeiten extern. Vor Ort gibt es Räume für Entwicklung, eine Klimakammer, eine technische Kammer und Büros für Verkauf, Marketing und Verwaltung. Die Einrichtung ist reduziert und passend zu den Produkten, mit schwarzen Möbeln. Aber nicht kühl.
Verkehrstechnisch sind wir sehr gut angebunden mit Bahn, Auto und Flugzeug. Der Flugplatz in Zürich ist nur 30 Minuten entfernt.
Bei einem kleinen Team ist doch enge Zusammenarbeit sicher wichtig. Duzen Sie sich?
Wir arbeiten kollegial zusammen, nicht patriarchalisch. Bei der schlanken Struktur ist das gut möglich. Das per du kommt in der Regel gleich bei Vertragsabschluss. Ob ein Mitarbeitender ins Team passt, ist bei der Bewerbung mindestens genauso wichtig wie die Qualifikation. Ich kann das nicht allein entscheiden, da haben alle ein Mitspracherecht. Wir haben es so eingeführt, dass ein Bewerber einen halben Tag die Abteilungen kennenlernt, damit die Kollegen sagen können, ob der Bewerber passend ist.
Haben Sie neben der Firmenleitung noch Zeit für ein Privatleben?
Arbeit und Privat verschmilzt schon bei mir. Es gab Zeiten, wo es der Firma wirtschaftlich nicht so gut ging, da habe ich dann viel mehr gearbeitet, um das aufzuholen. Jetzt kann ich das Leben mehr genießen. Ich mache viel Sport zum Ausgleich und fahre auch gerne in den Urlaub. So ein Ausgleich ist sehr wichtig. Oft habe ich aber auch abends nebenbei noch den Computer an. Das stört mich nicht, sonst hätte ich das nicht so gemacht. Dafür kann ich mir dann ab und an einen halben Tag freinehmen.
Was brauchen ambitionierte Menschen mit guter Idee und Lust zur Gründung?
Durchhaltevermögen für harte Zeiten. Genug gespartes Geld oder die Möglichkeit, welches zu leihen. Das ist nicht für alle Gründungen ausschlaggebend, ich habe auch andere gesehen. Aber wenn es darum geht ein Produkt zu entwickeln, ist es schon wichtig.
Und die Lust, die Passion. Es bringt nicht viel zu sagen "Das ist eine coole Geschäftsidee, damit kann ich richtig Geld machen". Das kann auch funktionieren, deckt dann aber auch nur den finanziellen Teil ab, nicht die Berufung. Längerfristig hat man die größere Genugtuung, wenn man das macht wo man richtig dahintersteht.
Außerdem die Bereitschaft stetig zu lernen, seine Fähigkeiten zu erweitern oder mit Menschen zusammenzuarbeiten, die das, was man nicht kann, für einen übernehmen. Und Risiko eingehen können, Wagnisse meistern.
Vielen Dank Herr Stadler, dass Sie sich die Zeit genommen haben und mir im beherzten Interview Rede und Antwort standen!
Quellenangabe:
Telefoninterview mit Herrn Martin Stadler am 04.05.2016, geführt von Sarah Barnert