Umwelt

Der neue europäische Green Deal – ein Fahrplan zum besseren Klima

8 Jul, 2021


Immer mehr Bürger betrachten den Schutz von Klima und Umwelt als ein zentrales Anliegen. Ihr Druck auf die Politik steigt. Mit dem Green Deal erarbeitete die EU ein umfassendes Konzept, das Europa als ersten Kontinent bis zum Jahr 2050 klimaneutral gestalten soll. Das bedeutet, die einzelnen Staaten verpflichten sich dazu, die gleiche Menge an Kohlenstoff-Emissionen zu beseitigen, wie sie von ihnen produziert wird. Dieses ambitionierte Ziel erfordert von Politik und Wirtschaft der Mitgliedsländer eine Vielzahl von Maßnahmen sowie einen straffen Zeitplan.


Dezember 2019: eine neue EU-Kommissionspräsidentin und ihr weitreichender Plan für Europa


Elf Tage nach ihrem Amtsantritt als Präsidentin der Europäischen Kommission stellte Ursula von der Leyen den neuen „Grünen Deal“ vor, einen gesamteuropäischen Klimapakt. Sie betonte in ihrer Rede, die Gemeinschaft stelle sich damit aktiv den Herausforderungen des Klimawandels. Der Plan sehe eine grundlegende Umwandlung der Wirtschaft hin zu einem nachhaltigen Wachstum vor. Um dieses Ziel zu erreichen, sei ein Zusammenwirken aller 27 Länder und aller Wirtschaftszweige nötig. Neben der Industrie betrifft das die Landwirtschaft, die Verkehrsbetriebe sowie den Energie- und Gebäudesektor. Als wichtiger Schritt gilt ein entsprechender Gesetzentwurf, den die neue Kommission innerhalb ihrer ersten 100 Tage vorlegen wollte. Dieses europäische Klimaschutzgesetz soll künftig als „Herzstück“ des Green Deals rechtlich verbindliche Grundlagen schaffen und die Maßnahmen „unumkehrbar“ machen. Das Jahr 2030 bedeutet einen Richtwert und Zwischenziel auf der Zeitschiene. Bis dahin sollen zwischen 50 und 55 Prozent weniger Treibhausemissionen als 1990 erzeugt werden.

Die wichtigsten Punkte des Klimapakts
 

Als zentrales Ziel des neuen europäischen Green Deals gilt eine Umwelt ohne Schadstoffe bei gleichzeitig nachhaltigem Wirtschaftswachstum. Dies soll unter anderem erreicht werden durch

  • die Erhaltung beziehungsweise Wiederherstellung bestehender Ökosysteme,
  • eine gesündere und faire Lebensmittelversorgung unter der Bezeichnung „vom Hof auf den Tisch",
  • intelligente und nachhaltige Mobilitätskonzepte,
  • eine kreislauforientierte Wirtschaft,
  • die saubere und sichere Energieversorgung sowie
  • ein ressourcen- und energieschonendes Bauen oder Renovieren.

Gesunde Umwelt lebt von der Artenvielfalt – EU-Biodiversitätsstrategie für 2030
 

Ursula von der Leyen bezeichnet die intakte Vielfalt der Natur als Kern des gesamten Green Deal Konzeptes. Spätestens bis zum Jahr 2030 soll sich die Umwelt in Europa auf dem Weg der ökologischen Erholung befinden. Die Biodiversitätsstrategie sieht das Schaffen von Schutzzonen auf jeweils 30 Prozent der Land- und Meeresfläche des Kontinents sowie das Anpflanzen von drei Milliarden Bäumen vor. Eine Stärkung der biologischen Landwirtschaft und der Erhalt bedrohter Insektenarten sollen durch die Verringerung des Pestizideinsatzes auf die Hälfte möglich werden. Das Konzept „vom Hof auf den Tisch“ wendet sich gezielt an regionale, ökologisch handelnde Erzeuger und Verbraucher. Die sogenannte Renaturierung betrifft neben der Land- und Forstwirtschaft die Lebensmittelindustrie sowie den Bausektor. Der jährliche Investitionsbedarf beläuft sich auf circa 20 Milliarden Euro. Die wirtschaftlichen und sozialen Kosten, die ohne Schutzmaßnahmen auf die Gesellschaft zukämen, schätzen die Verantwortlichen jedoch weit höher ein. Naturkatastrophen, geringere Erträge aus Landwirtschaft oder Fischfang und Verödung der Landschaft wären wohl unweigerlich die Folge.
 

Umweltbewusstes Reisen und nachhaltige Logistik: die Mobilität der Zukunft
 

Das Schlagwort „Mobilitätswende“ tauchte lange vor der Verkündung des neuen europäischen Green Deals auf. Im Zuge dieses Aktionsplans ist die Förderung umweltfreundlicher Verkehrskonzepte notwendiger denn je. Bei wachsendem Verkehrsaufkommen in Europa erfordert der Grüne Deal bis 2050 gleichzeitig eine Reduzierung der Emissionen auf diesem Sektor um etwa 90 Prozent gegenüber dem Jahr 1990. Die Verlagerung des Gütertransportes von der Straße auf Schiene oder Schiff bildet dabei eine der Maßnahmen. Zukünftig setzen die Planer vermehrt auf Digitalisierung. Damit entwickeln sie intelligente Lösungen für den öffentlichen und den Individualverkehr. Zudem werden die Elektromobilität und die zugehörige Infrastruktur immer wichtiger, da die Subventionen für fossile Brennstoffe schrittweise abgeschafft werden sollen.

Von neuen Fertigungsmethoden und Kreislaufwirtschaft – der Green Deal in der Industrie
 

In unseren Industriestaaten beherrscht die herkömmliche Linearwirtschaft, auch „Wegwerfwirtschaft“ genannt, den Markt. Das bedeutet, Rohstoffe beziehungsweise Ressourcen werden gefördert, weiterverarbeitet, genutzt und schließlich entsorgt. Der europäische Green Deal sieht eine weitgehende Umstellung zur Kreislaufwirtschaft vor. In diesem regenerativen System werden Produkte so lange wie möglich verwendet und aufgearbeitet oder zumindest nach Gebrauch recycelt. Davon erwarten Experten eine deutliche Entlastung der Umwelt durch weniger Abfall, größere Effizienz bei der Rohstoffnutzung und insgesamt mehr technische Innovationen.

Was kommt nach Kohle und Atomstrom? Die Zukunft unserer Energieversorgung
 

Als Grundprinzip nennt der Vertragsentwurf des neuen europäischen Green Deal eine weitreichende Wende hin zu erneuerbaren Energiequellen wie Wasser- und Windkraft. Einen gemeinsamen Markt strebt die EU nicht nur beim Handel an. Die Energieerzeuger sowie -betreiber sollen zukünftig ebenfalls vernetzt und digitalisiert zusammenarbeiten. Dafür braucht es gleiche Standards und eine moderne Infrastruktur. Die Pläne verlangen von den einzelnen Staaten eine Abkehr von Kohle, Öl und Erdgas. Gleichzeitig muss die Versorgung für alle Verbraucher gesichert und erschwinglich bleiben. Deshalb halten viele Fachleute Innovationen wie ein Wasserstoff-Ökosystem für unabdingbar, um fossile Energieträger und die Atomkraft zu kompensieren.

 

Neue Ideen für nachhaltige Bauten und Renovierungen
 

Laut Schätzungen der EU-Kommission entfallen rund 36 Prozent der energiebedingten Treibhausemissionen sowie 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf den Gebäudesektor. Sie sehen hier umfangreiches Einsparungspotenzial. Die Europäische Union fördert in Hinblick auf die Klimaziele des Green Deals in großem Stil energetische Sanierungen. Die Quote solcher Vorhaben soll bis zu Jahr 2030 mindestens verdoppelt werden. Die Experten erhoffen sich von dieser sogenannten „Renovierungswelle“ nicht nur umweltfreundlichere Gebäude, sondern zugleich verbesserte Lebensbedingungen und neu geschaffene Arbeitsplätze. Ein großes Augenmerk liegt dabei auf den Heizsystemen sowie -materialien. So sollen reine Ölbrenner auf absehbare Zeit schon Auslaufmodelle sein. Ebenso wichtig ist die Wärmedämmung von Neubauten und Bestandsgebäuden. Die „Kreislaufwirtschaft“ kommt hier ebenfalls zum Tragen. Rohstoffe stellen generell ein knappes Gut dar. Deshalb erweisen sich die Wiederverwertung von Baumaterialien oder ihr Recycling – wo immer möglich – als sinnvoll und notwendig. Diese Welle der Renovierungen schließt auch hier digitale Lösungen ein. Intelligente Strom- beziehungsweise Gaszähler gehören beispielsweise künftig zum Standard. Sie können in einem erheblichen Maß zur Einsparung von Energie und ihrer effizienten Nutzung beitragen.
Die Europäische Union sieht sich beim Klimaschutz in einer Vorreiterrolle und als Vorbild für andere Regionen der Welt. Dabei müssen alle Maßnahmen ihrer Green Deal Agenda zusammenwirken, um das ambitionierte Ziel „Klimaneutralität“ zu erreichen. Zudem lässt sich solch ein grundlegender Wandel nur verwirklichen, wenn die Bevölkerung sowie die Unternehmen überzeugt und „mitgenommen“ werden. Dafür braucht es weiterhin genügend qualifizierte Arbeitsplätze, bezahlbaren Wohnraum und eine erschwingliche Energieversorgung für alle. Im Wortlaut des Konzeptes heißt es, es werde einen „wirksamen und fairen Übergang“ geben. Niemand solle im Stich gelassen werden – „weder Mensch noch Region“.


 

Autor filiarheni

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